martes, 3 de mayo de 2011

Das Ende eines Erfolgsduos

Argentinien nach dem Tod Nestor Kirchners -
Bilanz und Perspektiven
von Roberto Frankenthal

Zwischen dem 25. März 2003 und dem 27. Oktober 2010 bestimmte eine Persönlichkeit die argentinische Politik. Ob als gewählter und amtierender Präsident oder als Abgeordneter, Parteivorsitzender und Ehegatte der amtierenden Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner (CFK) hat Néstor Carlos Kirchner (NK) den Kurs der letzten Jahre entscheidend geprägt. In der nachfolgenden Bilanz werden die positiven und negativen Aspekte der Präsidentschaft beider Kirchners dargestellt und die Perspektiven nach dem Tod Néstor Kirchners skizziert.

Um die Politik der Regierungen von Néstor und Cristina Kirchner zu bilanzieren, möchte ich zunächst stichwortartig aufführen, was in den bisherigen sieben Jahren des Kirchnerismus auf dem Haben-Konto zu verbuchen ist:

• Abkehr vom radikalen Neoliberalismus der Ära Menem
• Stabilisierung der argentinischen Wirtschaft (Abschaffung der Ersatzwährungen aus den Provinzen)
• Erfolgreiche Neuverhandlung der Auslandsschulden (92% der im Jahr 2003 vorhandenen Schulden sind umfinanziert worden), bei gleichzeitiger Streichung eines erheblichen Teils der Schulden. Im Jahr 2003 betrug die Auslandsschuld 135% des Bruttosozialproduktes, heute nur noch 45%
• Unabhängigkeit vom IWF-Diktat durch Rückzahlung der gewährten Kredite ohne Neuaufnahme von Verbindlichkeiten
• Zum ersten Mal seit Jahrzehnten kontinuierliche Überschüsse sowohl in der Handelsbilanz wie im Staatsbudget
• Erhöhung der tariflichen Mindestbezüge von 200 Pesos im Jahr 2003 auf 1740 Pesos am 1. Januar 2011 (in Euro ausgedrückt von ca. 130 auf ca. 315)
• Wiedereinführung von Tarifverhandlungen auf breiter Ebene mit erheblichen Lohn- und Gehaltssteigerungen
• Erhöhung der Mindestrentenbezüge von 150 Pesos im Jahr 2003 auf 1046 im Jahr 2010
• Eingliederung von 2,5 Millionen Alten ins Rentensystem, die bis 2007 keine Rente bezogen haben
• Einstellung des fast insolventen privaten Rentensystems
• Nationalisierung der Post, der Fluggesellschaft Aerolineas Argentinas, der Wasserversorgung des Großraums Buenos Aires u.a.
• Einführung einer kinderbezogenen Sozialhilfe (AUH, Asignacion Universal por Hijo)
• Erhöhung der Kreditgewährung für kleinere u. mittlere Unternehmen
• Massive öffentliche Investitionen zur Erneuerung der Infrastruktur
• Wiederherstellung der Interventionskraft des Staates in verschiedenen Bereichen (z.B Landwirtschaft, Kontrollen der Einhaltung der Arbeitsgesetzgebung usw.)
• Aufhebung der Befehlsnotstand- und Schlusspunktgesetze für die Verantwortlichen der Militärdiktatur
• Bildung einer Schwerpunkteinheit innerhalb der Staatsanwaltschaft zur juristischen Verfolgung der während der Militärdiktatur begangenen Menschenrechtsverletzungen
• Definitiver Bruch mit dem Geist der Militärdiktatur durch symbolische, aber wichtige Gesten (ehemalige Konzemtrationslager ESMA und La Perla wurden Gedenkstätten, die Bilder der Diktatoren wurden aus den Militärakademien entfernt)
• Erste Ansätze zu einer juristischen Strafverfolgung der zivilen Kollaborateure der Militärdiktatur
• Menschenrechtsorganisationen und eine Reihe sozialer Bewegungen als GesprächspartnerInnen der Regierung
• Legalisierung von ca. 500 000 MigrantInnen aus den Nachbarländern in den letzten Jahren
• Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehen
• Übernahme eines Projektes aus den sozialen Bewegung zur Entflechtung der Medienmonopole. (Ley der Servicios Audiovisuales)
• Neubesetzung der RichterInnen des Obersten Gerichtes durch ein transparentes Verfahren
• Etablierung einer autonomen Außenpolitik mit Schwerpunkt auf den Beziehungen zum MERCOSUR und UNASUR
• Enge Abstimmung der Wirtschafts- und Außenpolitik mit dem Nachbarland Brasilien, gemeinsame Interventionen bei Destabilisierungsversuche in Bolivien und Ecuador

Dagegen steht das Soll, die Bereiche, in denen es klare Defizite gibt:

• Unfähigkeit eine politische Struktur zu schaffen, die langfristig die beschlossene Richtung der Politik mitträgt
• Keine richtige Reform des verkrusteten Partiensystems
• Keine Reform des Steuersystems. Finanz- und Spekulationsgewinne werden nicht besteuert, die indirekten Steuern (Mwst.) haben einen wesentlich höheren Anteil an den Steuereinnahmen als alle andere Steuerarten.
• Keine Renten- und/oder Krankenversicherungsbeiträge für 36% der privat Beschäftigten (2003: 44%)
• Nach wie vor viele MitarbeiterInnen im Staatsapparat mit Dienstleistungsverträgen oder befristete Tätigkeiten nach dem Modell der Weltbank aus dem 90er Jahren
• 27% der ArgentinierInnen (2003: 48%) unter der offiziellen Armutsgrenze
• Fortexistenz autoritärer und/oder mafiöser Strukturen in den Sicherheitskräften trotz mehrer Säuberungswellen
• Menschenunwürdige Lage in den meisten Gefängnissen des Landes
• Trotz erster Ansätze zur Änderung seit dem Konflikt mit dem Agrarverbänden (2008) auf mehr als die Hälfte der vorhandenen Fläche Anbau genetisch modifiziertes Saatgut oder mit biologisch schwer abbaubaren Pestiziden
• Kontinuierlicher Rückgang der natürlichen Waldflächen trotz Einführung eines Waldgesetzes im Jahr 2007
• Erhebliche Versäumnisse bei der Reform des Justizapparates nach der Ernennung des neuen Obersten Gerichts
• Trotz faktischer Anerkennung als Gesprächspartner keine Anerkennung der fortschrittlichen Gewerkschaftskoordination CTA als gleichwertiger Gewerkschaftsdachverband
• Durchlöcherung der eingeführten Sozialhilfe (AUH) durch zunehmende Preissteigerungen im Lebensmittelbereich
• X-fache Vergrößerung des Reichtums der Familie Kirchner seit 2003. Zwar wurden bis jetzt noch keine illegale Machenschaften entdeckt, aber dieser Fakt belastet die Glaubwürdigkeit des Kirchnerismus.

Daraus ergeben sich folgende politische Perspektiven:

„Wir waren nicht gut, aber die anderen waren wesentlich schlimmer“, hat Peron mal behauptet, als er gefragt wurde, warum die ArgentinierInnen ihn nach 18 Jahre Exil wiederwählten. Es ist durchaus möglich, dass CFK ähnliche Worte am Abend des 30. Oktober 2011 sagen wird.

Die Zukunft der argentinischen Politik ist geprägt durch ihre Alternativlosigkeit. Bei allen Versäumnissen und Schwächen zeigt die amtierende Präsidentin, die auch die Amtsjahre ihres Gatten definitiv mitgestaltet hat, wesentlich mehr politisches Format als alle anderen möglichen Anwärter auf die Casa Rosada (Regierungssitz).

Die einzige offene Frage ist, ob die peronistische Partei PJ, die sich bis jetzt wohl oder übel dem Erfolg der Kirchners beugte, sich eher durch ihren Machterhaltungsinstinkt oder einen nebulösen Veränderungswunsch leiten lassen wird. Die bisherige Mischung von staatlichen Investitionen, Erhöhung der Kaufkraft durch Lohn-, Gehalts- und Rentenerhöhung und Sozialhilfe, positive Abschottung des argentinischen Finanzmarktes gegenüber der weltweit herrschenden Finanzkrise und die kontinuierlichen Überschüsse in der Handelsbilanz und dem Staatsbudget scheint sich zu etablieren. Die Opposition geizt auch mit Alternativen: Entweder hat sie keine Vorschläge oder sie würden eine Rolle rückwärts in den status quo ante bedeuten. Deswegen wird eher der „autoritäre“ Stil der Kirchners kritisiert, nicht aber ihre Politik. Die Bilanz zeigt aber auch, dass CFK nicht zum status quo ante zurückkehren kann. Nur eine Vertiefung der bisher getroffenen Maßnahmen kann weitere Erfolge sichern.

Zur Zeit werden z.B. Gesetze zur Veränderung der Rolle der Zentralbank, zur Reform des Finanzsystems, zur Beteiligung von ArbeitnehmerInnen an den Unternehmensgewinnen oder zur Regulierung der Schwangerschaftsunterbrechung diskutiert. Wie beim Peronismus üblich wird diese Politik von einer heterogenen Koalition getragen. Die Mehrheit der organisierten Arbeitnehmerschaft (CGT und Teile der CTA), die Konsumgüterindustrie, Teile der Menschenrechts- und sozialen Bewegungen, kleinere fortschrittliche Parteien und Gruppierungen, volkskonservative Gouverneure aus den Provinzen und Bürgermeister aus dem Großraum Buenos Aires, die „linken PeronistInnen“ und zum Teil die argentinische Vertretung ausländischer Firmen (dank der sehr hohen Renditen, die heute wieder in Argentinien erzielt werden) bilden diese Koalition.

Während Nestor Kirchner bis jetzt immer als im Hintergrund agierender Strippenzieher dieser heterogenen Koalition galt, wurde die amtierende Präsidentin als der intellektuelle Kopf dieses „zweiköpfigen politischen Tieres“ gesehen. BeobachterInnen stellen in Frage, ob CFK diese Fäden in der Hand halten kann. Es kommt eher darauf an, ob sie in der Lage ist, diese win-win-situation für alle an der Koalition Teilnehmenden aufrechtzuerhalten. Sie scheint dafür eher geeignet als andere mögliche KandidatInnen. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass der plötzliche Tod von Néstor Kirchner eine Mobilisierung von Teilen der argentinischen Jugend bedeutet hat. In den Umfragen gehören die unter 30-Jährigen zu den treuesten AnhängerInnen des Kirchnerismus.

Auf der Seite der Opposition findet man wenig Alternativen. Nach dem Tod seines Vaters, des ehemaligen Präsidenten Raúl Alfonsín, ist Ricardo Alfonsín der Hoffnungsträger des gemäßigt fortschrittlichen Flügels der liberalen „Radikalen Bürgerunion“ (UCR). Doch außer der verblüffenden Ähnlichkeit mit seinem Vater hat er wenig vorzuweisen. Der andere mögliche Kandidat der UCR, Julio Cobos, ist seit 2007 Vizepräsident von CFK und gleichzeitig agiert er als Leitfigur der Opposition. Cobos hat mehr Regierungserfahrung (auch als Gouverneur von Mendoza) als Ricardo Alfonsín, ist aber charakterlich umstritten (er hat immer wieder seine politische WeggefährtInnen verraten), weshalb ihn mögliche UnterstützerInnen innerhalb der UCR argwöhnisch betrachten.

Die konservativen PeronistInnen um den ehemaligen Präsidenten Duhalde hatten bis zum Tode von NK drei mögliche Präsidentschaftskandidaten und eine große Hoffnung auf der Ersatzbank. Ihnen allen gemeinsam war der Antikirchnerismus, ansonsten konnten sie wenige alternative Vorschläge zur Regierungspolitik vorweisen. Die große Hoffnung auf der Ersatzbank, der ehemalige Gouverneur und Senator Carlos Reutemann, hat sich vor wenigen Tagen offiziell von jeder Konfrontation zu CFK distanziert. Und die drei anderen Präsidentschaftsanwärter kommen bei den Umfragen alle zusammen auf ca. zehn Prozent der Stimmen.

Theoretisch links von der amtierenden Regierung profiliert sich der ehemalige Regisseur Fernado Solanas. Zum Redaktionsschluss war noch nicht klar, ob er sich bei den nächsten Wahlen für das Amt des Oberbürgermeister der argentinischen Hauptstadt bewirbt oder als Kandidat für die Präsidentschaft. Solanas hat zwar interessante Vorschläge bei bestimmte Themen (Energie, Verkehr usw.), hat aber deutliche Schwierigkeiten, ein eigenes fortschrittliches Profil im Vergleich zum Kirchnerismus zu präsentieren, und keine Erfahrung in Regierungsämtern.

Zehn Monate fehlen noch bis zu dem Wahlen Ende Oktober 2011, eine halbe Ewigkeit für die argentinische Politik. Aber wenn sich die grundsätzlichen Koordinaten nicht verändern, wird es keinen Machtwechsel in der Casa Rosada geben.

Artikel erschienen in ila 341/Nov-Dez 2010

A pesar de todo...comunidades judías en Alemania

Para muchos judíos de la Diáspora y principalmente para los que habitan el Estado de Israel, la existencia de una comunidad judía en suelo alemán tras el Holocausto es una idea que para muchos es difícil de entender.

Pero como dijera algún dirigente político argentino de cuyo nombre no me quiero acordar: "La única verdad es la realidad".Y la realidad al finalizar la Segunda Guerra Mundial y caer el nazismo, es que en el territorio alemán, se encontraban una importante cantidad de judíos sobrevivientes del Holocausto. La mayoría de ellos figuraban bajo la categoría de "displaced persons", personas desplazadas. En realidad en su mayoría, eran judíos provenientes de los países del Este de Europa, que por no poder regresar a su lugar natal al salir de los campos de concentración y ghettos (caso Polonia) o no querer vivir bajo la orbita soviética se fueron desplazando hacia Occidente. Otros tantos habían sobrevivido al nazismo como trabajadores esclavos en Alemania misma, y ahora no podían o querían volver a sus países de origen.Los lugares de albergue del las "displaced persons" se encontraban por lo general en las afueras de las grandes ciudades.

Es allí donde renace en primera instancia la vida judía en Alemania tras la Shoá. Por ejemplo el núcleo fundador de la comunidad judía de Munich provenía de uno de estos campos de refugiados. En la entonces zona oriental de Alemania, posteriormente conocida como Rep.Dem. de Alemania (DDR), se afincaron también una cantidad de judíos considerable. La mayoría de ellos había logrado dejar Alemania mucho antes del Holocausto e ideológicamente eran socialistas o comunistas. La idea fundadora de erigir una sociedad socialista en suelo alemán fue atractivo suficiente para regresar a su país de origen.

La convivencia en los años 50 y 60 de estos grupos judíos con sus victimarios de la época nazi seguramente no fue fácil. Recién a mediados de los 60 y especialmente en Alemania Occidental después de las revueltas de 1968 hubo un fuerte cuestionamiento a la actitud de la sociedad alemana durante el Holocausto y el nazismo en general.
Por el otro lado y a consecuencia de un complejo de culpa que llega hasta nuestros días, las autoridades alemanas fueron muy permisivas con respecto a la inmigración judía tras 1945. Esta permisividad permitió también el ingreso en los 60 y 70 de personajes judíos de ocupación dudosa. Hasta principios de los 70 la mayoría de los locales de alterne y prostitución del Bahnhofsviertel de Frankfurt (la zona roja de la ciudad) era regenteado por israelíes o judíos de origen ruso.

El autor de estas líneas llego a Alemania (la occidental) en febrero de 1986. Me radiqué en una ciudad de unos 250.000 habitantes, Karlsruhe, que tenía (y tiene) una comunidad judía. Quiso la casualidad, que el presidente de dicha comunidad, Werner Nachmann, fuera a la vez también el presidente del Comité Central de los Judíos en Alemania, la representación política de los judíos de este país. Nachmann había sobrevivido al Holocausto en Francia y regresó a su ciudad natal. Ya en los 70 ocupaba un rol comunitario importante y existen imágenes suyas de las Olimpiadas de Munich en 1972 , cuando tras el asesinato de una parte de la delegación israelí a los Juegos, avaló con su presencia el mensaje de los organizadores: “Los Juegos deben continuar“.
Nachmann presidía desde 1969 un Comité Central que agrupaba alrededor de 40.000 personas.

La composición de su comunidad de origen reflejaba de alguna manera el origen étnico de la mayoría de los judíos en Alemania en esa época. Al lado de tres grandes grupos (israelíes, judíos rusos, judíos alemanes sobrevivientes) existían minorías provenientes de Irán, Sudamérica, etc.…Se calcula que existían unas 10.000 personas más de origen judío en Alemania sin vinculación a las comunidades y/o organizaciones judías. Además de su rol comunitario Nachmann era miembro de la dirección del partido demócrata-cristiano (CDU) de Alemania. Todos estos roles fueron los que quizás posibilitaron su comportamiento. Al fallecer en 1988 se comprobó que había desviado alrededor de 33 millones de marcos de intereses de un fondo de reparación para sobrevivientes del Holocausto financiado por el gobierno federal alemán.

La actualidad

La caída del Muro de Berlín, el desmembramiento de la Unión Soviética y la reunificación alemana cambiaron radicalmente a la sociedad alemana y también a su comunidad judía. En la ex-DDR resurgieron a partir de 1990 las comunidades judías en las grandes ciudades. Y en toda Alemania se multiplicaron las comunidades y los habitantes de origen judío. Dejando de lado las causas exógenas, hubo de parte del gobierno alemán de esos años un política abiertamente favorecedora de la inmigración judía a este país. Mientras los gobiernos de Kohl (1990-1998) endurecían la política inmigratoria alemana en general, otorgaban grandes facilidades (cursos de integración idiomática, facilidades laborales etc..) a los judíos (especialmente a los provenientes de la ex-Unión Soviética) que se radicaban aquí. Según el análisis de algunos observadores, se debía apoyar el resurgir de las comunidades judías en Alemania como parte del precio a pagar ante la comunidad internacional, para que esta no se opusiera a la reunificación alemana. Testimonio de esto es que hoy en día viven en Alemania alrededor de 125.000 judíos, siendo la comunidad judía de este país la que tiene la mayor tasa de crecimiento en el mundo. Si para muestra basta un botón: Entre 1990 y 2010 se han inaugurado en suelo alemán 19 sinagogas nuevas. Hoy la vida judía en Alemania es casi tan intensa como antes de la llegada del nazismo al poder. Existen varios semanarios comunitarios, uno de ellos se edita en ruso, ya que un 75% de los judíos que hoy habitan el país son de ese origen. Especialemte diversas son las comunidades en las grandes ciudades. En Berlín por ejemplo la comunidad judía oficial cuenta con sinagogas diferentes donde se puede asistir a servicios religiosos según los ritos ortodoxos, conservadores o liberales. Paralelamente se ha establecido una comunidad ultra-ortodoxa en Berlín. También existen asociaciones de profesionales judíos, de hijos de sobrevivientes de la Shoá, de judíos homosexuales y/o judías lesbianas, grupos de apoyo a la Paz en Medio Oriente etc… Esta diversidad ya ha llevado a grandes controversias entre los diferentes grupos integran la comunidad judía actual.

Uno de los aspectos principales es que la actual composición de las mismas no se ve reflejada en los niveles directivos del Comité Central de los Judíos en Alemania.

Como en otras comunidades judías de la Diáspora, existen también los debates sobre los matrimonios mixtos, la relación con el Estado de Israel y aquí especialmente sobre el futuro de las relaciones judeo-germanas a largo plazo.

Articulo aparecido en www. jai.com.uy

martes, 25 de mayo de 2010

Zeitschriftempfehlung

ila 334 - Jüdisches Lateinamerika

Die ila, die Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika in Bonn, hat im April 2010 ein Schwerpunktheft zum Jüdischen Lateinamerika veröffentlicht.

Bei den Recherchen für die Ausgabe stieß die Redaktion auf viele spannende und weitgehend unbekannte Geschichten: Seien es die jüdischen Piraten, die in der Kolonialzeit spanische Frachtschiffe überfielen und somit eine Art von später Rache für die Vertreibung aus dem spanischen Königreich 1492 übten, oder der Handel mit jüdischen Prostituierten aus Osteuropa, die sich Anfang des letzten Jahrhunderts – ähnlich wie viele verarmte Frauen aus dem globalen Süden heutzutage – ein besseres Leben in Lateinamerika erhofften. Oder auch die bedeutende Rolle osteuropäischer Juden und Jüdinnen bei der Entstehung der Arbeiterbewegung in Ländern wie Argentinien und Uruguay.

Herausgekommen ist ein umfangreicher Schwerpunkt mit Beiträgen zur Geschichte der jüdischen Einwanderung und zur heutigen Vielfalt jüdischen Lebens und in Lateinamerikas und der Karibik. Die Ausgabe beleuchtet auch das umfangreiche Kulturschaffen jüdischer LateinamerikanerInnen. Dabei legt die ila den Fokus auf Literatur und Film und betont, auch da nur eine kleine Auswahl vorstellen zu können: Allein die jüdisch-lateinamerikanischen LiteratInnen wären einen eigenen Schwerpunkt wert. Schließlich enthält der Schwerpunkt auch Debattenbeiträge zu schwierigen Fragen: zu Identität(en), zum Verhältnis zu Israel, zu Vergangenheitspolitik und Antisemitismus.

Der Schwerpunkt "Jüdisches Lateinamerika" der ila 334 hat einen Umfang von 45 Seiten (das gesamte Heft 64 Seiten) und kann zum Preis von 4,50 Euro bei der ila (www.ila-web.de, vertrieb@ila-bonn.de) bestellt werden. Das Editorial und das komplette Inhaltsverzeichnis der Ausgabe, findet sich unter http://www.ila-web.de/archiv/2010/334inhalt.htm. Zwei Besprechungen der Ausgabe in der "Jüdischen Allgemeinen" und dem Internetportal "Amerika 21" finden sich unter http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/7471/page/2 bzw. http://www.amerika21.de/nachrichten/inhalt/2010/apr/ila_203948_334/

jueves, 18 de diciembre de 2008

Diktaturen und Widerstand in Lateinamerika-Vortrag in Köln im Oktober 2008

Allerweltshaus Köln – Diktaturen und Widerstand in Lateinamerika
„Heute verhältnismäßig friedlich“
Von Elke Kochann

In der Reihe „Geschichte und Geschichten“ des Projektes „Erinnern für die Menschenrechte“ im Allerweltshaus Köln richtete sich der Blick diesmal auf „Militärdiktaturen und Widerstand in Lateinamerika“. Referenten waren Rainer Huhle und Roberto Frankenthal. Dazu passend wurde wieder ein Buch aus der Raphel-Lemkin-Bibliothek vorgestellt – diesmal „Chile - Ein Schwarzbuch“.
Das ausgewählte Chile-Schwarzbuch wurde 1974 von Hans-Werner Bartsch,Martha Buschmann, Gerhard Stuby und Erich Wulff herausgegeben und erschien somit kurz nach dem Putsch vom 11. September 1973. Sophie Hennis berichtete, wie stark sie das Buch geprägt habe - vor allem die Informationen über Folter und das „Verschwindenlassen“ als Technik der Repression. Die beiden Referenten und die zahlreichen Teilnehmer begrüßte sie nach der Lesung mit den Worten, es sei schön, dass sich heute „drei Generationen von getätigter Lateinamerika-Arbeit im Allerweltshaus einfinden“. Rainer Huhle arbeitet im Nürnberger Menschenrechtszentrum und ist Kuratoriumsmitglied des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Von 1997 bis 1999 arbeitete er im Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Kolumbien. Roberto Frankenthal lebt seit 1986 in Deutschland und wurde als Sohn deutsch-jüdischer Emigranten 1963 in Buenos Aires geboren. Von 1989 bis 2006 war er Herausgeber der Zeitschrift „Argentinien Nachrichten“ Heute ist er freier Journalist und schreibt unter anderem für die Zeitschriften „ila“ und „Tangodanza“.Die Rolle der Kirche

Huhle begann seinen Vortrag mit einer Bemerkung, durch die Einladung habe er sich „um 20 Jahre zurückversetzt“ gefühlt, und verwies auf die Tatsache, dass das Verständnis von Lateinamerika in den 1960er Jahren durch Militärdiktaturen geprägt war. Heute gehe es dort im Vergleich zu den letzten 200 Jahren verhältnismäßig friedlich zu, aber es gebe dort auch schon frühere Zeugnisse von Verfassungen, Menschenrechtsbestrebungen sowie Gewaltenteilung.

In seinem Bericht konzentrierte sich Huhle auf Chile. Politische Opposition und Gewerkschaften wollten in den 1970er Jahren dort eher die soziale Revolution. Die Repression nach der Zerschlagung des politischen Widerstands zwang viele, nach neuen Formen einer (Schutz-)Organisation zu suchen. Dabei habe an vorderster Stelle die Kirche gestanden, vor allem Bischof Helmut Frenz, der von 1965 an als Propst der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Chile tätig war, bis er 1975 des Landes verwiesen wurde und anschließend Generalsekretär von amnesty international in der Bundesrepublik Deutschland wurde. Wichtig sei, sich bewusst zu machen, so Huhle, dass die Widerstandsbewegung gegen die Diktatur zu diesem Zeitpunkt keine Mehrheitsbewegung gewesen sei, und dass Augusto Pinochet große Unterstützung fand. Die Stärke der Widerstandbewegung sei hingegen die gute internationale Vernetzung gewesen, wofür auch die Organisation Amerikanischer Staaten genutzt wurde.
Im Mittelpunkt des Vortrags von Roberto Frankenthal, der zur Zeit des letzten Militärputsches geboren wurde und seit seiner Jugend in der Menschenrechtsarbeit engagiert ist, stand Argentinien. Das Land sei ein „Sonderfall“ im Sinne des Staatsterrorismus. Es gab häufige Wechsel von Demokratie, Wahlen, Putsch, Militärdiktatur, Terrorismus, wieder Demokratiebestrebungen und dann die ersten Konzentrationslagern 1975 und die damit verbundene Folter. In diesem Punkt hätte Argentinien von anderen lateinamerikanischen Ländern, wie Chile, „gelernt“, was veröffentlichte Bilder von zusammengepferchten Gefangenen in Stadien anrichten können. Gegner sollten deshalb heimlich verschwinden - der so genannte „Argentinische Tod“.

Putsch von der Bevölkerung unterstützt

Angesichts der krisenhaften Situation hätten, so Frankenthal, ca. 80 Prozent der Bevölkerung den Putsch vom 24. März 1976 unterstützt. Dabei sei es in der Menschrechtsbewegung zu 30.000 Opfern gekommen, ebenso viele Menschen wurden inhaftiert. Im Unterschied zu Chile konnten sich die argentinischen Exilanten jedoch nicht auf ein genügend breites Netzwerk verlassen, sie waren eher auf sich allein gestellt. Frankenthal führte hierzu das Beispiel Michelle Bachelets an, der heute amtierenden Präsidentin Chiles, die nach dem Putsch in die DDR floh. Biografien dieser Art gab es im Fall Argentinien nicht.

Widerstand gegen die Militärdiktatur habe es kaum gegeben. Erst ab 1977 gründeten sich langsam die ersten Angehörigenorganisationen, und erst 1979 gab es Protestversuche der Gewerkschaftsbewegung, die jedoch durch Uneinheitlichkeit wenig Durchschlagskraft besaß. Ein Teil unterstützte weiter die Militärdiktatur und lieferte mitunter sogar Namenslisten. Wichtig sei der Besuch der UN-Menschrechtskommission 1979 gewesen, wodurch viele Untaten das erste Mal aktenkundig wurden. Die Militärdiktatur sei schließlich nicht wegen des Widerstands der Bevölkerung, sondern an den eigenen Fehlern gescheitert, zum Beispiel am Falklandkrieg 1982, vor allem an der wirtschaftlichen Situation. Die ersten demokratischen Wahlen gab es 1983, aus denen Raúl Alfonsín als Präsident siegreich hervorging.

Umgang mit der eigenen Vergangenheit

Den Umgang Argentiniens mit der eigenen Vergangenheit schätzt Frankenthal als äußerst bedenklich ein. Diese sei „weder diskutiert, erörtert oder bewältigt worden“. Im Jahr 2008 begannen die ersten Prozesse gegen Zivilisten, die bei der Politik des Verschwindenlassens von Menschen mitgewirkt haben.

Eine der ersten Fragen aus dem Publikum ging an Roberto Frankenthal und betraf den ehemaligen Junta-Chef beim Militärputsch, Jorge Rafael Videla. Im Oktober 2008 wurde der Hausarrest gegen ihn aufgehoben und Videla wurde in ein Militärgefängnis verlegt. Die Teilnahme der Bevölkerung, so Frankenthal, sei jedoch relativ gering und auf gar keinen Fall mit der im Fall Pinochets zu vergleichen, die eine viel größere Wirkung gehabt habe.

Beratung aus Frankreich

Thematisiert wurde auch die Rolle der französischen Geheindienste, bzw. des französischen Militärs. So spielten französische Militär- und Geheimdienstberater eine große Rolle bei der Ausbildung des argentinischen Heers. Dabei ging es vor allem um die „französische Doktrin“, die Frankreich selbst im Algerienkrieg entwickelt und angewandt hatte. Der große Unterschied war laut Frankenthal allerdings, dass in Argentinien diese Methoden gegen die eigene Bevölkerung und nicht gegen eine Kolonialbevölkerung angewandt wurden. Französische „Ausbilder“ seien ja auch in die USA gegangen, um dort die Leute auf den Vietnamkrieg vorzubereiten.

Auf die Frage, warum die Militärdiktaturen eine Erscheinungsform gerade der 1970er Jahre waren, erklärte Rainer Huhle, dass sie im Grunde ein Ergebnis des Kalten Krieges gewesen seien. Durch die jährlichen Interamerikanischen Konferenzen sei ein kontinentales, gemeinsam getragenes Projekt entstanden, das sich unter dem Stichwort „nationale Sicherheit“ zusammengefasst gegen den Kommunismus wandte. Sophie Hennis ergänzte, die „Doktrin der nationalen Sicherheit“ sei im Grunde die Legitimation von Herrschaftsformen. Diese Doktrin war, so Huhle, zunächst eine reine Militärdoktrin, habe so die politische Situation bestimmt und sei schließlich eine generelle Lebensphilosophie geworden. Heute gehe die Geschichte der Militärdiktaturen zu Ende; durch einen erweiterten Sicherheitsbegriff, der eher auf soziale Gerechtigkeit abziele. In diesem Punkt widersprach Roberto Frankenthal, der nach wie vor diese Doktrin lebendig erlebt. Sie würde heute nur anders betitelt.

Die deutsche Diplomatie

Eine Reihe von Fragen galt der Wirkung des Besuches der UN-Menschrechtskommission 1979 in Argentinien. Laut Frankenthal war die Anzahl von verschwundenen Personen vorher mit Sicherheit viel höher als nach diesem Besuch. Innerhalb der Militärdiktatur konnte man sich nun sicher sein, beobachtet zu werden. Einigkeit bestand bei den Referenten, dass „Sichtbarmachung den Betroffenen hilft“, wobei das Vorgehen der deutschen Diplomatie kritisiert wurde. Frankenthal mahnte, dass die von Deutschland vertretene „stille Diplomatie“ kein Leben retten würde.

Auch die Tatsache, dass viele der Prozesse erst gegenwärtig in Gang kommen, kam zur Sprache. Auf die Frage, warum dies so sei, erklärte Huhle, dass es einen Unterschied zwischen einem Prozess und der Tatsache des Sich-erinnerns gebe, und dass man dies im Grunde auch mit der Bundesrepublik Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg vergleichen könne. In Uruguay gab es nach der Zeit der Militärdiktatur sogar eine Volksabstimmung mit dem Ergebnis, dass keiner der Militärs vor Gericht kommen solle. In Chile wurde nach zwei Jahren eine Wahrheitskommission eingerichtet. Generell sei in Lateinamerika nicht zu unterschätzen, dass die Länder in gewissen Situationen voneinander lernen. Frankenthal fügte hinzu, dass es in Argentinien auf jeden Fall eine Frage der Generation sei. Das heutige Staatsoberhaupt, Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, war damals jung und hatte keine politische Verantwortung. Dementsprechend stelle sie sich heute der Sache anders entgegen.

Zu fortgeschrittener Stunde wurde die Veranstaltung beendet, allerdings war das Thema für die Anwesenden noch nicht beendet. In kleinen Gruppen wurde mit oder ohne die Referenten angeregt weiter diskutiert. (PK)
Aus Neue Rheinische Zeitung

„Nie wieder“ – Erinnerungskultur und Strafverfolgung in Argentinien

Zumindest in punkto Vergangenheitsbewältigung gilt Argentinien seit einigen Jahren als menschenrechtliches Vorzeigeprojekt. Der Traum der Strafverfolgung von Menschenrechtsverletzern, anderswo allenfalls die Vision einer fernen Zukunft, ist dort Wirklichkeit geworden. Doch das Kapitel der Diktaturverbrechen ist nach dreißig Jahren noch längst nicht abgeschlossen: Das argentinische Beispiel zeigt vor allem, dass selbst explizit auf die politische Tagesordnung gesetzte Vergangenheitsbewältigung nicht automatisch von Erfolg gekrönt wird. Die Förderung einer Erinnerungskultur hat zwar wichtige Akzente gesetzt, aber in der Strafverfolgung gibt es noch zahlreiche Hindernisse zu überwinden.

Rückblick
Die Machtübernahme der Militärs in Argentinien am 24. März 1976 führte zu der brutalsten Repressionswelle in der Geschichte des Landes. Bis zum Ende der Diktatur 1983 wurden Zehntausende von Personen verhaftet und in geheimen Folterlagern ohne Prozess monate- oder sogar jahrelang misshandelt; viele von ihnen wurden außergerichtlich hingerichtet oder galten als „verschwunden“, da niemand ihren Aufenthaltsort zu wissen schien. Die einzige Gruppe, die es wagte, öffentlich gegen das Regime zu protestieren, waren die Mütter und Großmütter der Plaza de Mayo, die ab 1977 jeden Donnerstag nachmittag vor dem Präsidentschaftspalast in Buenos Aires ihre Runden drehten und die Rückkehr ihrer „verschwundenen“ Kinder und Enkel forderten. Durch sie (und Angehörigenverbände in anderen lateinamerikanischen Ländern) wurde der Begriff des desaparecido zum Synonym für Opfer lateinamerikanischer Militärdiktaturen. Auch die Bezeichnung der grausamen Repressionmethoden als „schmutziger Krieg“ („guerra sucia“) ist zum feststehenden Begriff für Unrechtsregime geworden.
Das eine gravierende Schuldenkrise erzeugende neoliberale Wirtschaftsprogramm und nicht zuletzt die Niederlage im Falkland-Krieg gegen Großbritannien brachen der Militärjunta den Nacken. Die Übergabe der Regierung an zivile politische Parteien wurde ohne Pakt besiegelt, so dass die neugewählte Zivilregierung mit Präsident Raúl Alfonsín ihr Amt zunächst ohne Einmischung der Uniformierten ausüben konnte. Sehr konsequent verfolgte Alfonsín die Aufarbeitung der Diktaturverbrechen.
CONADEP und der Prozess gegen die Juntageneräle
Alfonsín setzte die CONADEP (Comisión Nacional para la Desaparición de Personas) zur Untersuchung des Schicksals der Tausenden von “Verschwundenen” ein. Sie bestand aus zehn ausgewählten, für ihre persönliche Integrität und ihr Menschenrechtsengagement bekannte Personen (unter ihnen nur eine einzige Frau) sowie aus drei Mitgliedern der Abgeordnetenkammer; geleitet wurde sie von dem bekannten Schriftsteller Ernesto Sábato. Zwischen 1983 und 1984 wurden der Kommission 8.960 Fälle des gewaltsamen Verschwindenlassens gemeldet, wobei allerdings eine sehr hohe Dunkelziffer berücksichtigt wurde. Die Schätzungen der Madres und von Menschenrechtsorganisationen gehen noch heute von ca. 30.000 Opfern dieses Verbrechens aus, und auch die CONADEP erhob nie Anspruch auf Vollständigkeit ihrer Angaben. Ihr im September 1984 veröffentlichter Abschlussbericht „Nunca Más“ („Nie wieder“) legte über den Umfang und die Grausamkeit der Menschenrechtsverletzungen anhand 709 eindeutig bewiesener Einzelfälle Zeugnis ab. Die Existenz von etwa 340 Foltergefängnissen wurde belegt, eine Liste der der CONADEP bekannten Opfer sowie auch Täter dem Bericht beigelegt. Bemerkenswert im argentinischen Fall ist die vergleichsweise hohe Anzahl „verschwundener“ Frauen (ca. 28%) sowie die vielen Kinder, die in Folterhaft geboren und anschließend von Militärs, aber auch nichtsahnenden kinderlosen Familien adoptiert wurden.
Als einer der ersten seiner Art in Lateinamerika wurde „Nunca Más“ ein Bestseller in Argentinien und in zahlreiche Sprachen übersetzt (u.a. ins Deutsche). Entscheidend war nicht nur die minuziöse Darstellung der Geschehnisse, die die Wahrhaftigkeit des Berichts über alle Zweifel stellte, sondern die Schlussfolgerung der CONADEP, dass die begangenen Gräueltaten keine Exzesse gegen militante Subversive darstellten, sondern einem systematischen Plan zur Eliminierung einer bestimmten politischen Klasse Argentiniens Folge leisteten. Die begangenen Menschenrechtsverletzungen waren demnach eindeutig als Verbrechen gegen die Menschheit zu definieren. Dieser Rechtsbegriff sollte in späteren Jahren eine zentrale Rolle in der strafrechtlichen Verfolgung von Diktaturverbrechern spielen.
Im Jahr 1985, noch während der Regierung Alfonsíns, wurde allen Mitgliedern der Militärjunten der Prozess gemacht. Jorge Rafael Videla und Emilio Massera aus der ersten Militärjunta wurden zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt, die der zweiten unter General Viola erhielten lange Gefängnisstrafen, während die dritte (Galtieri) und vierte (Bignone) Juntageneration straffrei davonkamen. Im Jahr darauf sah Alfonsín sich jedoch gezwungen, als Zugeständnis an die Militärs das sogenannte Schlußpunkt-Gesetz (Ley de Punto Final) zu erlassen, das eine Einstellung jeglicher Strafverfolgung innerhalb einer Frist von 40 Tagen vorsah und eine Welle von neuen Klagen zur Folge hatte. Daraufhin rebellierten einige Militäroffiziere, und die Regierung sah sich genötigt, trotz aller Demonstrationen und Appelle der Bevölkerung für eine Fortführung der Gerichtsprozesse ein weiteres Gesetz zu verabschieden, das des Befehlsnotstandes (Ley de Obediencia Debida). Es gewährte den unteren Militärrängen Amnestie mit dem Argument, dass sie für die Menschenrechtsverletzungen als lediglich Ausführende von Befehlen nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könnten. Alfonsíns Nachfolger Carlos Menem ließ die verurteilten Juntageneräle bei Amtsantritt 1989 begnadigen, so dass in Argentinien eine Situation der vollkommenen Straflosigkeit eintrat. Punto Final – nichts ging mehr.
Null und nichtig: der Fall der Amnestie
Nach der Ablösung Menems durch Fernando de la Rúa (1999) wurde die Forderung nach einer Annullierung der beiden Amnestiegesetze immer lauter. Beflügelt wurde sie nicht nur aufgrund der von Nichtregierungsorganisationen angestrengten Prozesse gegen argentinische Militärs in Europa (Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland), sondern auch aufgrund der sensationellen Verhaftung des chilenischen Ex-Diktators Pinochet in London, die einen wahren Paradigmenwechsel in der internationalen Strafverfolgung von Menschenrechts- und Kriegsverbrechen herbeiführte. Bereits einen Tag nach Pinochets Verhaftung wurde Emilio Massera der Kindesentführung angeklagt, ein Vergehen, das in den Amnestiegesetzen keine Berücksichtigung gefunden hatte. Auch die illegale Aneignung von Besitztümern als Straftatbestand ermöglichte neuerliche Anklagen.
Der Regierungswechsel 2003 war allentscheidend: Präsident Kirchner erklärte die gesellschaftliche und strafrechtliche Aufarbeitung der Diktaturverbrechen als oberste Priorität und sorgte Schritt für Schritt für die Annullierung der Amnestiegesetze. Im Juni 2005 erklärte sie der neubesetzte Oberste Gerichtshof für verfassungswidrig und deshalb null und nichtig. Verbrechen gegen die Menschheit sind unverjährbar und können nicht von der Strafverfolgung ausgeschlossen werden. Dieser Entscheidung folgte die verstärkte Wiederaufnahme von Fällen bei Gericht.
Das Problem des Zeugenschutzes
Das erste Urteil fiel im August 2006 im Fall des „verschwundenen“ Ehepaares José Poblete und Gertrudis Hlazcik sowie ihrer Tochter. Julio Simón, alias el turco Julián, wurde eine Haftstrafe von 25 Jahren auferlegt. Lebenslänglich verurteilt wurde im Monat darauf der ehemalige Kriminaldirektor der Polizei Buenos Aires, Miguel Etchecolatz, für sechsfachen Mord sowie illegaler Freiheitsberaubung und Folter in zwei Fällen. Dieser Prozess wurde jedoch überschattet vom „Verschwinden“ einer der Schlüsselzeugen, der über 70jährige Jorge Julio López, just am Tag der Gerichtsverhandlung, bei der er aussagen sollte. Sein Schicksal bis heute nicht geklärt. Es ist davon auszugehen, dass sein „Verschwinden“ beabsichtigt war: Die Eliminierung eines Schlüsselzeugen in einem der ersten Gerichtsprozesse auf dieselbe Art und Weise wie zu Diktaturzeiten hatte zum Ziel, die Fortschritte in der Rechtsprechung durch Einschüchterung zu behindern. Mit Erfolg, denn viele Zeugen, oft Überlebende von Folterhaft, sahen in der Folge davon ab, vor Gericht auszusagen. Die Drohungen gegen sie, vor allem im Vorfeld mündlicher Verhandlungen, häufen sich. Neben López sind bisher noch zwei weitere Zeugen verschleppt und ernsthaft misshandelt worden, allerdings lebend wieder aufgetaucht.
Dieses enorm destabilisierende Problem, so Kritiker/innen, ist bisher nicht effektiv von der Regierung angegangen worden. Erst im Mai 2007 rief Präsident Kirchner das Programa Verdad y Justicia (Wahrheit und Gerechtigkeit) ins Leben, in dessen Rahmen Schutzmaßnahmen für Zeugen, Diktaturopfer, Anwält/innen und Beamt/innen des Justizapparates ergriffen werden sollen. Der Leiter des Programms, Marcelo Saín, beklagt allerdings ein unzureichendes Budget und die Tatsache, dass er über kein eigenes Personal verfügt, sondern sich der Flughafenpolizei Ezeiza bedienen muss. In einem Interview mit der Tageszeitung Página12 äußerte er die Meinung, dass Julio López von einer Schlägerbande des Ex-Polizeidirektors Etchecolatz ermordet wurde. Menschenrechtsorganisationen kritisieren außerdem, dass keine Informationen über die Personen vorliegen, die mittels Einschüchterungen und Übergriffen die Strafverfolgung der Diktaturverbrechen verhindern wollen, und ihre Verbindungen zu staatlichen Sicherheitskräften, Geheimdienst sowie privaten Sicherheitsfirmen. Hier sind gründliche Ermittlungen erforderlich, die auch den Fall des ehemaligen Polizeipräfekten Héctor Febres beträfen. Dieser, wegen Folter, Misshandlung und Kindesraub angeklagt, wurde am Tag vor seiner Urteilsverkündung im Dezember 2007 vergiftet. Marcelo Saín ist der Meinung, dass auch die Zeugenaussagen ehemaliger Uniformierter nicht erwünscht sind; der Fall Scilingo soll nicht wiederholt werden. Unterlagen des ehemaligen Geheimdienstes SIDE sind bislang noch nicht freigegeben worden, obwohl sie über mögliche, in neuere Übergriffe involvierte Personen Aufschluss geben könnten.
Mit dem Fall Febres wurde auch die Argumentation über Bord geworfen, dass angeklagte Militärs aus Sicherheitsgründen in den Haftanstalten ihrer eigenen Institutionen untergebracht werden sollten. Die Privilegien, die sie dort genießen, stellen das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz ernsthaft in Frage. Im Juli 2007 wurde zwar entschieden, in Untersuchungshaft sitzende Offiziere von Gefängnispersonal des Servicio Penitenciario Federal bewachen zu lassen, aber einer Überführung in gewöhnliche Haftanstalten, wie es NRO einfordern, steht noch einiges im Wege.
Memoria – Gedenken des Grauens
Trotz solch nicht zu unterschätzender Vorkommnisse besteht in der heutigen argentinischen Gesellschaft ein breiter Konsens über die Notwendigkeit der Aufarbeitung der Diktaturverbrechen. Auch während der Zeit des Punto Final waren die Forderungen nach einer solchen nie verstummt. Dies ist nicht nur der Hartnäckigkeit von Opfer- und Angehörigenverbänden sowie Menschenrechtsorganisationen zu verdanken, sondern sicherlich auch dem Einsatz der CONADEP und den Juntaprozessen – letztere ein in Lateinamerika zu jener Zeit einzigartiger Schritt. Während der Kirchner-Regierung wurden einige sehr symbolische, aber doch entscheidende Maßnahmen für die politisch-gesellschaftliche Aufarbeitung ergriffen, die nicht nur der allgemeinen Akzeptanz, sondern auch der Mitwirkung verschiedenster Akteur/innen Raum geben, so dass die Gestaltung von Gedenkstätten und die Durchführung von Aktivitäten nicht nur für die direkt Betroffenen repräsentativ sind. Dies ist von äußerster Wichtigkeit für die Bewusstseinsbildung der Bevölkerung, so dass das 1984 proklamierte „Nunca Más“ auch in die Tat umgesetzt wird.
In Buenos Aires ist neben der bereits seit 2000 existierenden Gedenkstätte Mansión Seré, der Einweihung des Paseo de Derechos Humanos (2006) durch die Fundación Memoria Histórica y Social Argentina und der Enteignung ehemaliger Folterzentren wie „Automotores Orletti“ vor allem die städtische Übernahme des größten während der Diktatur funktionierenden Folterlagers ESMA (Escuela de Suboficiales de Mecánica de la Armada) im September 2007 hervorzuheben. Von dort „verschwanden“ mindestens 5.000 Personen. Für die Umgestaltung des Areals in ein Museum wurde ein Gremium, Espacio de Memoria, gegründet, in dem auch zahlreiche Organisationen der Zivilgesellschaft vertreten sind. Von ihnen hat jede einen bestimmten Raum zur Ausgestaltung zur Verfügung gestellt bekommen. In der ESMA hat außerdem ein internationales Menschenrechtsbildungsinstitut der UNESCO seinen Sitz.
Auch in den Provinzen sind ehemalige Folterzentren und Anlagen der Sicherheitskräfte zur öffentlichen Nutzung übereignet worden, wie z.B. das Gefängnis La Perla in Córdoba.
Megafälle und Miniurteile
Mit dem von Kirchner promovierten parlamentarischen Nein gegen die Amnestiegesetze wurde bereits im September 2003 entschieden, die beiden sogenannten megacausas, d.h. die in der ESMA sowie die vom Ersten Heereskorps (in Folterzentren wie El Vesubio, Club Atlético, Olimpo, Automotores Orletti oder El Jardín) begangenen Menschenrechtsverletzungen in die Erste Instanz zu geben. 2006 wurden die Vorbereitungen für die Gerichtsverhandlungen getroffen, über 700 Personen waren wegen Verbrechen gegen die Menschheit angeklagt. Während des vergangenen Jahres wurden die obersten Befehlsinhaber des ehemaligen Militärapparates angeklagt und der deutschstämmige Polizeikaplan Cristian von Wernich verurteilt.
Trotz dieser unleugbaren Fortschritte wird von Beobacher/innen und Betroffenen die Abwesenheit einer effizienten Strategie in der Strafverfolgung beklagt. Diese ist unverzichtbar für die enorme Herausforderung, vor der die argentinische Justiz steht: Sie muss die Verantwortlichen von Zehntausenden von grausamsten Verbrechen unter Berücksichtigung der Normen für einen fairen Prozess vor Gericht stellen und verurteilen. Sie muss außerdem die Würde der Zeugen wahren, die öffentlich über schmerzlichste Erlebnisse Zeugnis ablegen. Die Fragmentierung der Prozesse in einzelne Tatbestände bringt jedoch nicht nur einen kaum zu bewältigenden Arbeitsaufwand für die Justizbehörden mit sich, sondern lenkt auch vom systematischen und von höchster Stelle aus koordinierten Vorgehen der Militärs ab, so dass das ungeheure Ausmaß der Gräueltaten nicht mehr erkennbar ist. Die argentinische Gesellschaft kann so den historischen Charakter der Prozesse nur schwer erfassen. Noch weniger gerecht wird diese Vorgehensweise den Überlebenden und Angehörigen der Opfer, da diese in jedem Prozess gegen einen ehemaligen Folterknecht von Neuem aussagen müssen; ihre Würde und ihre Sicherheit werden so kaum gewahrt. Die Vereinheitlichung von Tatbeständen und die Konzentration auf repräsentative Fälle, die eine relativ rasche Verurteilung der obersten Befehlsinhaber in jeder Region des Landes herbeiführen könnte, würde einerseits eine Effizienzsteigerung mit sich bringen und andererseits der argentinischen Bevölkerung die enorme Bedeutung der Prozesse vermitteln.
Die Probleme sind klar identifiziert, so dass eine Unterlassung dringend notwendiger Maßnahmen die Glaubwürdigkeit der Regierung torpedieren würde. So wie auch die Einsetzung von Wahrheitskommissionen sowie die Annullierung von Amnestieregelungen in Lateinamerika Schule gemacht haben, so ist auch eine erfolgreiche Strafverfolgung am Río de la Plata nicht nur für Argentinien von Bedeutung.
Annette Fingscheidt
Koalition gegen Straflosigkeit in Argentinien

sábado, 4 de octubre de 2008

In Memorian: Ellen Marx

Mitte September starb in Buenos Aires Ellen Marx. Sie war eine einzigartige Person und für mich etwas ganz besonders. Nicht nur wegen ihrer moralischen, ethischen und politischen Größe sondern weil sie meine "Tante" im Kindergarten gewesen ist. Die nachfolgenden Zeilen sind in Pagina 12, Argentinisches Tageblatt ,TAZ und im Tagesspiegel und in der Zeitschrift "ila"erschienen.

Ellen fue una mujer lúcida y comprometida con la vida. La última vez que la vi, con sus ochenta y seis años y una salud que por momentos la fatigaba, desde su sillón continuaba dando fuerzas a otros y otras que, como ella, pasaban sus últimos años en un hogar de ancianos. Cuando notaba deprimido a alguno de sus compañeros de morada, se acercaba a ellos para invitarlos a una lectura o deleitarse con la música. Ellen integró grupos de jóvenes que lucharon contra el nazismo; como tantos y tantas vio cómo diezmaron familias y amistades; para salvar su vida escapó de Alemania y se radicó en este país en el que tuvo dos hijos y dos hijas; una de ellas, Leonor Gertrudis Marx, fue desaparecida por los hombres del I Cuerpo de Ejército. Como tantas madres, golpeó cientos de puertas para averiguar por su hija y fue clave en la organización del grupo de familiares de origen alemán, cuya lucha hizo posible la Coalición contra la Impunidad en la Argentina. Los juicios abiertos en Alemania y los pedidos de extradición de Videla, Massera y otros fueron el fruto de esa labor. Ellen fue la de la palabra precisa, honda y emotiva; la de la petición franca, sincera e irreductible; la que irradiaba conocimientos con vocación de compañera y docente; la que, ante la adversidad o la algarabía, plasmaba sentencias de acero con delicada claridad. La que, pese a todo y como consecuencia de todo, hablaba con humor elegante. Así como decía que setenta años íbamos a padecer los estragos de la dictadura, alentaba constantemente a persistir en la lucha. Recordaré toda mi vida sus relatos, como aquel que contó cuando se enteró que mi hijo se llamaría Elías. “El profeta que venció a Massera” dijo y contó la historia bíblica de la viña de Nabot. Se llamaba Ellen Renata Pinkus de Marx. Falleció hace pocos días. Una mujer amada e imprescindible.
Rodolfo Yanzón – abogado de familiares de origen alemán

http://www.tageblatt.com.ar/
20.09.2008 Buenos Aires (AT/kat) -- "So lange ich noch am Leben bin, werde ich für Wahrheit und Gerechtigkeit kämpfen", dieser Leitsatz hatte die deutsch-argentinische Menschenrechtlerin Ellen Marx bis zuletzt angetrieben. Nachdem ihre Tochter während der jüngsten Militärdiktatur verschwand, setzte sie sich unnachgiebig für die Aufklärung der Regierungsverbrechen ein. In der Nacht zum 12. September verstarb die Menschenrechtlerin im Alter von 87 Jahren im jüdischen Altersheim "Adolfo Hirsch" in San Miguel bei Buenos Aires. Ellen Marx wurde in Berlin in einer deutsch-jüdischen Familie geboren. Während des 3. Reiches wurden ihre Mutter, ihr Großvater, ihr Onkel und ihre Großtanten von den Nationalsozialisten ermordet. Sie selbst floh 1939 aus Deutschland und kam über Paris nach Argentinien. Seitdem lebte sie in Buenos Aires. Nachdem sie von den Nationalsozialisten ausgebürgert wurde, ließ sie sich wieder einbürgern und verstand sich Zeit ihres Lebens als in Argentinien wohnende Deutsche. In Buenos Aires arbeitete sie zunächst als Kindermädchen bei einer deutsch-jüdischen Familie, dann an einer deutschsprachigen Schule und schließlich in einem jüdischen Kinderheim. Sie heiratete einen ebenfalls deutsch-jüdisch stämmigen Immigranten, 1948 kam die Tochter des Paares, Gertrudis Leonor, zur Welt. Am 21. August 1978 wurde die damals 28-jährige Tochter vom argentinischen Militär verschleppt und verschwand. Ellen Marx verlor zum zweiten Mal in ihrem Leben geliebte Angehörige durch eine Diktatur. Im Juni 1998 unternahm sie ihre erste Aktion für die Aufklärung der Diktaturverbrechen und erstattete gemeinsam mit anderen deutsch-jüdischen Diktaturopfern Strafanzeige gegen das argentinische Militär bei der Staatsanwaltschaft am Landgericht Nürnberg- Fürth. Die Staatsanwaltschaft erklärte allerdings, sie sei für diese Fälle nicht zuständig. Unter den etwa 30.000 Opfern der argentinischen Militärdiktatur sind rund 100 Deutschstämmige.

15.09.2008
Unbeugsam und unerschrocken
Die deutsch-argentinische Menschenrechtlerin Ellen Marx war eine unerschrockene und eine unbeugsame Frau. "Solange ich noch am Leben bin, werde ich für Wahrheit und Gerechtigkeit kämpfen", lautete ihr Wahlspruch, und daran hielt sie sich zeitlebens. In der Nacht zum Freitag ist die in Berlin geborene Jüdin im Alter von 87 Jahren in Buenos Aires gestorben, wie Freunde und Weggefährten mitteilten.
Ellen Marx hatte sich in Argentinien und in Deutschland einen Namen gemacht, seit sie sich für die Aufklärung von Diktaturverbrechen während der argentinischen Militärherrschaft (1976-1983) engagierte. Die Militärs hatten ihre Tochter entführt, die bis heute verschwunden geblieben ist.
1939 flieht Ellen Marx vor den Nazis aus ihrer Geburtsstadt Berlin. Sie stammt aus einer deutsch-jüdischen Familie, die sie selbst dem Bildungsbürgertum zurechnete und für die Politik ein Gräuel war. Mit einem französischen Frachter kommt sie nach Argentinien und lebt in der Hauptstadt Buenos Aires. Hier findet sie eine Stelle als Kindermädchen. Sie heiratet einen ebenfalls emigrierten deutschstämmigen Juden. Viele Jahre arbeitet sie an einer deutschsprachigen Schule, später in einem jüdischen Kinderheim in Buenos Aires. Von den Nazis ausgebürgert, lässt sich Marx in der 50ern in der Bundesrepublik wieder einbürgern. Sie versteht sich als in Argentinien lebende Deutsche.
Am 21. August 1978 wird ihre damals 28-jährige Tochter Gertrudis Leonor Marx von argentinischen Militärs verschleppt und gilt seitdem als verschwunden. Zum zweiten Mal verliert Ellen Marx Angehörige durch die Untaten einer Diktatur. Mutter, Großvater, Onkel und Großtanten wurden von Nazis ermordet.
Im Juni 1998 erstattet Ellen Marx zusammen mit anderen deutschjüdischen Diktaturopfern Strafanzeige gegen argentinische Militärs bei der Staatsanwaltschaft am Landgericht Nürnberg-Fürth. Dabei gehe es um "Wahrheit und Gerechtigkeit, den Grundlagen menschlichen Zusammenlebens", sagte sie damals im Namen einer "Gruppe der deutschen Mütter" in Argentinien. "Es ist unsere persönliche Mission, nicht zu schweigen und die Erfahrungen an die nächsten Generationen weiterzugeben." Unter den rund 30.000 Opfern der Diktatur sind rund 100 Deutsche oder Deutschstämmige.
Seit einigen Jahren lebte Marx in einem jüdischen Seniorenheim in San Miguel, einem Vorort von Buenos Aires. Eine Anklageerhebung gegen die für das Verschwinden ihrer Tochter verantwortlichen argentinischen Militärs durfte sie nicht mehr erleben. Das Landgericht Nürnberg-Fürth erklärte sich für nicht zuständig.
JÜRGEN VOGT

Die Argentinier nennt sie „die Hiesigen“.
Buenos Aires im August 1999, Stadtteil Belgrano, eine kleine schmale Frau springt auf einen Bus, der kaum bremst. Die Frau ist 78 Jahre alt. Sie gönnt sich kein Straucheln, kein Zögern, kein Taxi; immer fährt sie mit dem Bus. Diesmal zu einem Treffen der Mütter der deutschen Verschwundenen in Argentinien. Die Gruppe trifft sich, um über Strafverfahren gegen argentinische Militärs in Deutschland zu beraten.

Ellen Pinkus wird 1921 in Berlin geboren und wächst in der Oranienburger Straße auf, spielt im Monbijou-Park. Später zieht die Familie nach Charlottenburg.

Ellen ist 18, als sie ein Visum erhält, das ihr die Einreise nach Argentinien erlaubt. Sie ist eine Jüdin auf der Flucht vor den Nazis. Die meisten Länder haben ihre Grenzen schon dicht gemacht. Ellen lässt ihre Eltern zurück, in dem Glauben, dass sie bald nachfolgen können. Über ihren kranken Vater kann sie später sagen, er sei noch im Bett gestorben. Die Mutter wird in Auschwitz ermordet. Das erfährt Ellen Jahrzehnte später: Der Name der Mutter steht auf einer Liste in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem.

Auf dem Schiff, auf der Flucht, erkrankt Ellen an Skoliose. Die Krankheit bleibt unerkannt und unbehandelt. Ellen behält einen gebeugten Rücken, über den sie nie klagt.

Alle in der Gruppe der Jugendlichen, mit der sie Buenos Aires erreicht, sehnen sich nach einem zu allererst, nach Normalität. Die meisten heiraten schnell und gründen Familien. Ellen Pinkus trifft Erich und wird Frau Marx. Sie bekommt vier Kinder. Was sie von ihrer Mutter gelernt hat, gibt sie nun weiter: Dass es wichtig ist, sich um Schwächere zu kümmern, Solidarität zu üben und durch kleine Gesten das Leben schöner und leichter zu machen. Dass Jammern nicht hilft.

Buenos Aires ist eine brodelnde, anstrengende Stadt. Ellen arbeitet als Betreuerin, erst in einem Kinderheim, dann in der jüdischen Gemeinde. Sie bleibt Zeit ihres Lebens der deutschen Kultur verbunden, sie spricht bis zuletzt ein wunderbares Deutsch. Die Argentinier nennt sie „die Hiesigen“, als würde sie selbst nicht dazugehören.

Heimisch wird sie erst, als sie sich auf die Suche nach ihrer verschwundenen Tochter Nora macht. 1976 wurde die von argentinischen Militärs entführt und in einem geheimen Lager gefangen gehalten. 30 000 Menschen kommen während der Zeit der Militärdiktatur ums Leben. Nora hat in einem Elendsviertel von Buenos Aires gearbeitet. Sie engagierte sich für die Ärmsten. Als Ellen erfährt, dass ihre Tochter verhaftet wurde, wird sie zu einer der „Mütter der Plaza de Mayo“, jener Frauen, die auf dem zentralen Platz von Buenos Aires gegen das Verschwinden ihrer Kinder protestieren und bis heute auf Aufklärung drängen. Die Suche nach ihrer Tochter Nora bestimmt fortan Ellens Leben. Sie wird Nora nie finden.

Als die Diktatur 1983 am Ende ist, hofft Ellen, dass die Verantwortlichen bestraft werden. Doch Amnestiegesetze schützen die Folterer und Mörder. Ellen reist mehrmals nach Deutschland, mit Hilfe eines Rechtsanwalts erstattet sie in Berlin Strafanzeige gegen argentinische Militärs. Sie wird von der Justizministerin empfangen. Aber die Verfahren ziehen sich hin. Zu einer Anklage kommt es in ihrem Fall nicht.

Ellen aber ist preußisch diszipliniert, für Selbstmitleid reicht ihre Zeit nicht. Sie trifft andere Deutsche, deren Angehörige verschwunden sind, sie hilft ihnen bei der Suche nach Unterlagen für die Verfahren in Deutschland. Und sie kümmert sich auch um diejenigen, die an Depressionen leiden und an dem Erlebten zerbrechen.

Bald kommt sie nicht mehr nur wegen der Verfahren nach Deutschland, sie hat hier Freunde gefunden. Sie sagt, dass sie die nachfolgenden Generationen nicht verantwortlich machen könne für das, was ihr und ihren Eltern angetan wurde. Dem Jüdischen Museum in Berlin übergibt sie Erinnerungsstücke der Familie.

2005 zieht sie in ein Seniorenheim bei Buenos Aires, in dem sie zuvor jahrelang gearbeitet hatte, als das Heim noch eines für Kinder war. Sie genießt den Park und die Vögel, sie arbeitet in der Bibliothek des Heims. Im September erleidet sie einen Schlaganfall, nur zwei Tage später stirbt sie. Tonja Salomon

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 05.12.2008)

Aus: ila 320. November 2008
Die Verpflichtung nicht zu schweigen
Abschied von der deutsch-argentinischen Menschenrechtlerin Ellen Marx

Am 24. März 1921 wurde Ellen Marx in Berlin geboren, am 11. September 2008 starb sie im jüdischen Altersheim Hogar Alfredo Hirsch in der Provinz Buenos Aires. Ellen Pinkus de Marx, wie sie nach ihrer Heirat hieß, war in den letzten Jahrzehnten eine der wichtigsten VertreterInnen der argentinischen Menschenrechtsbewegung. Wolfgang Kaleck und Gert Eisenbürger haben unabhängig voneinander Gespräche mit Ellen Marx geführt und aufgezeichnet, ersterer 1999 über ihre Jugend in Berlin und ihre Emigration, letzterer 2002 über ihr Leben in Argentinien. Aus diesem Material haben sie anlässlich des Todes von Ellen P. de Marx nachfolgenden Text zusammengestellt, der einen Blick auf eine große Humanistin und außergewöhnliche Frau eröffnet.

Frau Marx, was sind Ihre Erinnerungen an Ihre Zeit in Berlin vor ihrer Emigration nach Argentinien?

Ich wurde am 24. März 1921 in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte geboren. Mein Vater hatte dort als Lederwarenhändler ein Büro mit Kellerraum. Ich ging zunächst in die 24. Volksschule hinter der Garnisons­kirche, danach in die Ziegelstraße in die Höhere Schule. Nach unserem Umzug nach Charlottenburg ging ich bis zur Unterprima in die Fürstin-Bismarck-Schule.
Eine meiner einschneidendsten Erinnerungen ist die an die „Reichskristallnacht“. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 war ich von lauten Geräuschen aufgewacht. Ich hörte Autos vorfahren und Glas zerbrechen. Ich stand dann auf und sah aus dem Fenster. Gegenüber von unserem Haus wurden in der Milchhandlung der jüdischen Witwe Köppen die Scheiben eingeworfen. Die Autos fuhren dann weg. Aus der Ferne hörte ich Feuerwehrsirenen am Kudamm. Am nächsten Tag erfuhren wir aus dem Radio, dass alle Synagogen, die nicht an Zivilgebäude angrenzten, abgebrannt waren.
Ich ging am Morgen nach der Reichskristallnacht trotzdem in die Schule. Dort wurde mir sogleich vom Vize­rektor ein Schreiben ausgehändigt, in dem der Bürgermeister von Berlin meinen Vater aufforderte, seine Tochter von der Schule zu entfernen. Einer meiner Lehrer nahm mich zur Seite und flüsterte mir zu, dass er mir alles Gute wünsche. Andere Lehrer und auch MitschülerInnen sahen weg.
Alle jüdischen SchülerInnen wurden nach der Kristallnacht aus den Schulen herausgeworfen. Von einem Tag zum andern. Ich kriegte noch meine Abgangszensuren und damit war es fertig. Ich hatte noch nicht einmal das Abitur gemacht und es ist mir auch später nicht gelungen, trotz meines guten Willens, es irgendwann in Argentinien nachzuholen.
Schon ab 1933 hatte ich eine zunehmend erstickende Atmosphäre gespürt. Die Lehrer identifizierten sich alle mehr oder weniger mit dem Nationalsozialismus. Viele Mitschülerinnen waren Mitglied im BDM (Bund Deutscher Mädel). Anfänglich waren noch viele jüdische Schülerinnen auf der Schule, da in Charlottenburg viele jüdische Familien wohnten. Die ersten, die die Schule verließen, kamen aus Familien, die vor dem Bolschewismus aus der Sowjetunion oder dem Antisemitismus aus Polen und Ungarn geflohen waren. Offensichtlich hatten sich diese Familien ihren Instinkt vor Gefahr bewahrt.
Das alteingesessene jüdische Bildungsbürgertum fühlte sich jedoch zugehörig zur deutschen Kultur und zum deutschen Volk und übersah daher die Gefahr.
Auch ich fühlte mich der deutschen Kultur zugehörig. Im Übrigen bis heute. Noch immer fallen mir in kritischen Momenten Verse von Schiller und Goethe ein. Deutsche Kultur erfuhr ich vor allem über den Berliner Kulturbund, der nach 1933 für das jüdische Kulturleben geschaffen worden war. Auch für Geschichte interessierte ich mich sehr. Bereits mein Großvater und meine Mutter waren Mitglieder der SPD. Mein Vater und meine Großmutter mütterlicherseits waren DemokratInnen. Ich las sehr viele Autoren der Weimarer Republik.

Wie war Ihr Verhältnis zum Judentum in der damaligen Zeit?

Ich war während der Schulzeit beim Jüdischen Bund. Mein Vater sorgte dafür, dass ich als einzige Tochter in die Jugendbewegung des Central-Vereins fand. Wir diskutierten dort über jüdische Kultur, jüdische Geschichte und die Entstehung der Jugendbewegung. Wir eigneten uns eine gute jüdische Bildung an, die wir neu entdeckten.
Außer unserer Gruppe gab es noch die Haschomer Hazair, die sogenannten Werkleute. Die waren auf die Ausreise nach Palästina orientiert. Sie unterhielten Landwirtschaftsgüter zunächst in Deutschland, später in Dänemark. Ich lernte zwei dieser Landgüter kennen.
Ab April 1939 ging es nur noch darum, unsere Leben zu retten und jede Möglichkeit der Ausreise zu nutzen.

Warum entschieden Sie und Ihre Familie, dass Sie als einziges Familienmitglied ausreisten?

Am 10. Dezember 1938 war die Gestapo in unsere Wohnung gekommen, um meinen Vater zu verhaften. Dieser war allerdings gerade zu der kleinen Synagoge in der Johann-Georg-Straße gegangen, um Kultgegenstände zu retten, u. a. die Thora-Rolle. Mein Vater sollte vorläufig in das KZ Oranienburg. Da er nicht anwesend war, gingen die Gestapo-Leute wieder weg. Meine Mutter sah aus dem Fenster, wie mein Vater gerade um die Ecke kam. Er ging an den Gestapo-Typen vorbei, ohne dass man voneinander Notiz nahm. Meine Mutter brachte meinen Vater dann einige Tage beim Großvater unter. Dort blieb er, bis die Gefahr vorbei war.
Im November und Dezember 1938 wurden viele jüdische Männer verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Die meisten kamen vier bis sechs Wochen später wieder raus, weil sie versichert hatten, dass sie auswandern wollten. Sie mussten im KZ teilweise Zwangsarbeit leisten. Der Winter 38/39 war extrem kalt. Sie mussten Eisenbahnwaggons schieben, die so kalt waren, dass einigen die Finger abfroren. Man sah damals viele Männer mit abgefrorenen Fingern auf der Straße.
Angesichts dieser Ereignisse war uns alles klar. Meine Mutter förderte daher meine Auswanderung sehr. Sie selber wollte Berlin nicht verlassen, weil sie sich um ihren 85-jährigen Vater kümmerte, der kurz zuvor Witwer geworden war. Sie wollte ihn nicht alleine lassen.
Dass meine Eltern und viele andere nicht auswanderten, hing auch damit zusammen, dass sie nicht mehr über ihre Ersparnisse verfügen konnten. Vor allem mein Vater fühlte sich zu alt, um irgendwo mittellos anzukommen und ganz neu anfangen zu müssen. So blieben meine Eltern, wie viele ältere Familien, in Deutschland.
Als ich in den Zug nach Paris stieg, war mir bewusst, dass das ein Abschied für immer war, auch wenn ich selbstverständlich hoffte, dass ein Wiedersehen möglich wäre.

Wie verliefen dann die Vorbereitungen zu Ihrer Ausreise?

Der Jüdische Bund bereitete nach der Kristallnacht seine Mitglieder auf eine gemeinsame Emigration vor. Ich hatte schon auf der Fürstin-Bismarck-Schule zwei Jahre Spanischunterricht. Ich hatte immer ein großes Interesse an Fremdsprachen und beherrschte Latein, Englisch und Französisch. Ansonsten hatten wir sehr wenig Zeit für die Vorbereitung unserer Emigration. Denn wir durften als Organisation insgesamt nicht mehr zusammentreffen. Sämtliche jüdische Vereinigungen waren geschlossen. Wir gingen immer zu zweit in die Häuser und warteten beim Rausgehen darauf, dass die anderen um die Ecke verschwunden waren, bevor wir selbst die Häuser verließen.

Wie verlief Ihre Emigration im einzelnen?

Drei Gruppen reisten hintereinander aus Berlin ab, ich war bei der dritten Gruppe. Am 13. April 1939 fuhren wir vom Bahnhof Janowitzbrücke ab. Meine Mutter und mein Großvater begleiteten mich bis zur S-Bahnstation Bellevue und verabschiedeten mich auf dem Bahnsteig. Mein Vater konnte den Abschied nicht ertragen und war zu Hause geblieben. Das war das letzte Mal, dass ich meine Familie sah.
Wir fuhren dann bis Aachen. Dort wurden wir ein letztes Mal schikaniert. Es kam zu Durchsuchungen und Leibes­visitationen, ob man mehr als die zugelassenen zehn Mark mitgenommen hatte. Wir verpassten deswegen den Zug und fuhren dann mit unserer Gruppe von 32 oder 33 Personen mit einem lokalen Zug nachts um zwölf Uhr weiter und kamen frühmorgens in Paris an. Dort erhielten wir Visum und Fahrkarten für Argentinien, die Hilfsorganisation HIAS hatte dafür gesorgt. Wir mussten uns ihr gegenüber verpflichten, fleißig zu arbeiten und später der Organisation die Kosten unserer Flucht zu erstatten. Die Jugendlichen waren zwischen 17 und 25 Jahre alt. In Paris hatten wir fünf Tage Aufenthalt. Unser Gruppenleiter sagte uns, wir müssten nun Abschied von der europäischen Kultur nehmen. Wir sind dann nach Versailles gefahren, zum Louvre und zum Rodin-Museum. Da wir ja aus verschiedenen Städten kamen, lernten wir uns nunmehr erst gegenseitig kennen.
Von Le Havre fuhren wir mit einem französischen Frachtdampfer nach Südamerika. Am 25. Mai, dem Nationalfeiertag Argentiniens, erreichten wir Buenos Aires.
Dort mussten wir zunächst auf dem Schiff bleiben, weil wir Visa nur für Bolivien hatten. Wir hatten schon von Schiffen gehört, die zurückgeschickt wurden. Der nächste Zug nach Bolivien sollte erst fünf Tage später gehen. Aber die jüdische Hilfsorganisation besorgte uns dann doch noch Visa für Argentinien, die zunächst nur ein halbes Jahr gültig waren. Aber nach diesen Übergangsvisa wurden wir richtig legalisiert.
Bei unserer Ankunft in Argentinien hatten wir gerade einmal zehn Pesos in der Tasche. Wenn die Hilfsorganisation nicht einige Zimmer in einer Immigrantenpension in Stadtteil Belgrano für uns gemietet hätte, hätten wir nicht gewusst, wo wir schlafen konnten. Wir waren darauf angewiesen, möglichst schnell Arbeit zu finden. Wir Mädchen nahmen sofort jede Stelle als Haushaltshilfe oder Kindermädchen an. Es war uns vollkommen klar, dass wir keine Möglichkeiten hatten zu wählen. Von den Jungens fingen die meisten als Peón an, als ungelernte Arbeiter.
Bei meinen ersten Herrschaften, bei denen ich fünf Monate lang war, sollte ich dem Kind Englisch beibringen. Das Kind war zwei Jahre und einige Monate alt! Die Eltern waren der Meinung, dass das dringendste, was es brauchte, die englische Sprache wäre, obgleich beide Eltern und die Großeltern in Argentinien geboren waren. Aber der Herr hatte die Verwaltung eines englischen Unternehmens und deswegen musste das Kind Englisch lernen.
Was wir verdienten, reichte gerade zum Überleben. Einmal hatte ich einen Knopf verloren von einem Kleid. Weil ich einen identischen Knopf hier nicht bekam, musste ich gleich sechs neue Knöpfe kaufen, das war schon ein finanzielles Problem.
Außerdem waren wir sehr schlecht krankenversichert, was für mich ein Problem wurde, als ich an Kinderlähmung erkrankte. Ich habe inzwischen oft gehört und gelesen, dass Menschen, die in andere Länder kamen, Kinderlähmung bekamen. Das scheint eine Krankheit zu sein, die auch tiefere Wurzeln hat, nicht nur eine Infektion, die man sich zufällig aufschnappt.
Es war für uns oft sehr schwierig, sich in die argentinischen Modalitäten einzudenken. Für mich war es ein großer Schock zu erleben, wie unterwürfig Angestellte, die in meiner Lage waren, ihrer Herrschaft begegneten. Sie wagten gar nicht, eigenständig zu denken. Was mir damals schon zeigte, dass die Kolonisierung im Grunde genommen niemals beendet worden ist und sich viele Leute niemals als freie Menschen gefühlt haben. Auch hatte man in Deutschland nicht die geringste Ahnung, wie groß die Kluft zwischen Arm und Reich hier war.
Im Laufe der Zeit gelang es uns allmählich, aus diesen Anfangsstellungen herauszukommen. Ich hatte das Glück, eine Stelle in einem Kinderhort zu bekommen, der kurz vorher für die Kinder jüdischer EmigrantInnen gegründet worden war. Durch diese Arbeit erfuhr ich sehr viel über die Probleme der Emigration. Wir betreuten die Kinder nicht nur tagsüber, sondern kümmerten uns auch um ihre Gesundheit und ihre eventuellen psychologischen Probleme – aber das kam erst später. Von Psychologie wusste man in Argentinien Anfang der vierziger Jahre noch wenig. Nur einige Einwanderer brachten diese Kenntnisse schon mit. Wir kümmerten uns auch um die Eltern, die mit all ihren Problemen zu uns kamen. Wir bekamen all diese Schicksale mit.

Hatten Sie in den Kriegsjahren Informationen über das Schicksal Ihrer Familie in Europa und wussten Sie und die anderen EmigrantInnen, welche Ausmaße die Judenverfolgung in Europa angenommen hatte?

Ich habe mich mit meinen Eltern geschrieben, erlaubt waren allerdings nach Ausbruch des Krieges nur noch offene Postkarten. Manchmal bekam man Luftpostbriefe auf ganz leichtem Papier. Die Karten trugen Stempel mit Hakenkreuz. Es waren stereotype Karten, in denen man über das Wetter oder den Besuch der Tante berichtete. Eines Tages Ende 1942/Anfang 1943 stand auf einer Karte von den Schwiegereltern: „Frau Pinkus ist jetzt ganz alleine“ als Randbemerkung. Das bedeutete die Todesnachricht meines Vaters. Ich erfuhr erst 1983 das genaue Todesdatum und weiß, dass sein Grab in Ost-Berlin ist.
Durch meinen Besuch in der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel erfuhr ich, dass mein Großvater in das KZ Theresienstadt gebracht worden war. Mein Vater hatte einen Schulfreund, der nach Schweden gegangen war, und der hatte Daten darüber. In der Gedenkstätte erfuhr ich alles über meine Familie. Es waren insgesamt zehn Personen, die verschleppt worden sind. Die Transporte hatten verschiedene Nummern. Meine Mutter war auf dem 31. Transport nach Auschwitz. Dort musste sie zunächst Zwangsarbeit leisten, zuvor hatte sie auch schon in Berlin Zwangsarbeit leisten müssen. Ein Jahr später wurde sie vergast. Dies hatte ich durch eine Randbemerkung auf einer Karte an mich und durch meine späteren Nachforschungen in Yad Vashem erfahren.
In Argentinien erhielt ich vereinzelt Andeutungen über das, was in Deutschland geschah. Eine Tante konnte nach Brasilien flüchten. Sie hat mir einmal einen Brief geschrieben, indem sie mir einiges erklärte. Während des Krieges haben wir nach und nach realisiert, was da in Deutschland geschah. Es war eine tägliche Angst und Bedrückung.
Das wurde alles wieder lebendig nach dem Verschwinden meiner Tochter, die Gefühle der Verzweiflung, der Ungewissheit, der aufflackernden Hoffnung und der Enttäuschung.
Abends nach der Arbeit des Tages, in dem Moment, wo man sich hinlegte und ausspannen wollte, fiel alles auf einen herab. Ich machte damals keinerlei Politik, aber bei Konzerten trafen sich alle EmigrantInnen. Wir hatten damals einen unglaublich starken Lebensinstinkt. Das ist mir erst nachher klar geworden. Nur wenige von uns wurden depressiv oder melancholisch.
Die meisten aus der Gruppe, die mit mir aus Deutschland gekommen waren, hatten nach zwei Jahren geheiratet und mindestens zwei Kinder in die Welt gesetzt. Ich heiratete 1942 und bekam vier Kinder, das letzte, Rubén, wurde am 18. November 1964 geboren.

Waren Sie nach der Geburt Ihrer Kinder weiterhin berufstätig?

Zwischen den Geburten meiner Kinder habe ich insgesamt 14 Jahre in dem Kinderhort des jüdischen Hilfswerks gearbeitet. Die letzten sieben Jahre leitete ich das Heim. Später unterrichtete ich an der Pestalozzi-Schule (nach der Gleichschaltung der deutschen Schulen in Argentinien 1934 gegründete antifaschistische Schule, die vor allem von den Kindern der aus Deutschland und Österreich geflohenen Juden und Linken besucht wurde – die Red.), als mein Junge zwei Jahre alt war. Ich gab in der ersten Klasse Deutschunterricht für Kinder aus nicht-deutschsprachigen Familien. Von 1970 bis 1990 habe ich in der jüdischen Gemeinde als Sekretärin gearbeitet und bewegte mich viel in deutschen und jüdischen Zusammenhängen.

Als der Krieg zu Ende war, gab es für die EmigrantInnen die Möglichkeit, Argentinien wieder zu verlassen. Nach Deutschland wollte sicher kaum jemand, aber Israel oder auch die USA waren Länder, in die viele jüdische EmigrantInnen, die nach Südamerika geflohen waren, später gingen. Haben Sie eine zweite Emigration in Erwägung gezogen?

Israel ist selbstverständlich immer ein gewisser Anziehungspunkt gewesen. Die große Auswanderungswelle von hier nach Israel fand Ende der fünfziger bis Mitte der sechziger Jahre statt. Das war eine politisch furchtbare Zeit in Argentinien, der Antisemitismus nationalistischer Gruppen war in dieser Zeit enorm. Eine Gruppe hieß Tacuara. Diese Gruppe war sehr aggressiv. Ihr Anführer, Padre Filipo, ein katholischer Priester, wohnte in unserem Stadtviertel. Er eröffnete direkt vor unserer Synagoge ein Lokal. Es gab dann bei uns im Stadtviertel Belgrano, wo viele deutsche und jüdische Einwanderer lebten, Straßenkeilereien, Demonstrationen, antisemitische Schmierereien und eingeschlagene Fensterscheiben, zum Beispiel bei uns im Kinderheim.
Meine Kinder nahmen das damals sehr bewusst war. Diese Bewegung war einer der Gründe dafür, dass sie eingesehen haben, dass man als Jude nirgendwo sicher lebt. Alle unsere Kinder waren daher in jüdischen Gruppen organisiert, die sich als Gegenreaktion gebildet hatten. Sie haben sich dort politisiert und unsere älteste Tochter und der ältester Sohn sind später nach Israel ausgewandert.
Ich selbst habe in dem Moment an Auswanderung gedacht, als meine älteste Tochter Miriam nach Israel ging. Da sagte mein Mann ungefähr dasselbe, was mein Vater Ende 1938 gesagt hat. Er war nicht dafür zu begeistern, dort noch einmal bei Null anzufangen. Wir haben zwar auch in Argentinien eher bescheiden gelebt, aber wir hatten unser Auskommen.
Die Auswanderung meiner Tochter war für mich der letzte Anstoß, zur deutschen Botschaft zu gehen und mir wieder einen deutschen Pass zu holen, mich in die Bundesrepublik einbürgern zu lassen.

Warum?

Als die erste Tochter weg war, wollte ich wieder einen Pass und eine Staatsangehörigkeit. Ich habe übrigens später festgestellt, dass sich viele emigrierte Juden Anfang der sechziger Jahre wieder deutsche Pässe geholt hatten. So lange brauchten wir, bis wir genug Vertrauen in das neue Deutschland hatten. Wir haben natürlich sehr genau beobachtet, wie sich das in der Bundesrepublik entwickelte. Mir, aber auch vielen anderen, hat die Tatsache geholfen, dass die Bundesrepublik Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen aufnahmen. Als David Ben Gurion, der damalige Premierminister, gefragt wurde, warum Israel Beziehungen zu einem deutschen Staat aufnehme, erklärte er, Israel hätte niemals Wiedergutmachungszahlungen akzeptieren können, wenn es nicht vorher „Schalom“ (Frieden) geschlossen hätte. Das erschien mir als ethische Berechtigung, dass auch ich mit diesem deutschen Staat Frieden schloss. Ich nehme an, viele andere haben etwas ganz Ähnliches empfunden.
Mir war außerdem klar, dass die deutsche Kultur etwas war, das ich nicht einfach abstreifen konnte, bei aller Zuneigung zur argentinischen Lebensweise und Kultur. Man wagte sich also wieder einzugestehen, dass man die deutsche Kultur mochte.
Damals ging das mit der deutschen Staatsangehörigkeit verhältnismäßig automatisch. Wenn man den alten deutschen Auswanderungspass mitbringen konnte, setzte sich sofort der ordentliche deutsche Verwaltungsapparat in Bewegung und bald war der bundesdeutsche Pass da.

Galt die Einbürgerung nur für Sie oder auch für Ihre Kinder?

Für meine Kinder wollte ich es nicht machen. Die Älteste war bereits in Israel, unser ältester Sohn bereitete sich darauf vor. Er ist dort 1981 bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Der jüngste Sohn hat einen deutschen Pass. Aber als er den beantragte, war das schon etwas komplizierter, die Frist war bereits abgelaufen.
Mein Mann nahm übrigens die deutsche Staatsangehörigkeit nicht wieder an. Wir haben aber beide die Entwicklung in Deutschland intensiv verfolgt, die Frankfurter Schule gelesen und die 68er Bewegung sehr stark wahrgenommen.

Wollte Ihre jüngere Tochter Nora auch nach Israel?

Meine jüngste Tochter wollte auf keinen Fall etwas anderes als Argentinierin sein. Dafür ist sie dann verschwunden unter der Militärdiktatur.
Schon im Kinderhort haben die Kinder ein Gefühl für das Leben und die sozialen Probleme anderer Menschen gelernt. Denn dort waren viele Kinder aus unteren sozialen Schichten. Insbesondere Nora hat dort ein Feingefühl für die sozialen Probleme entwickelt. Sie hat es immer in ironische Wortspiele umgesetzt, was sie dort erlebt hat. Ihr Onkel nannte sie die Wolkenkönigin.
Ihre Neigung waren die Naturwissenschaften. Sie hat sehr gründlich studiert. Während des Studiums zog sie teilweise aus, teilweise kehrte sie wieder nach Hause zurück und wohnte dort eine Zeitlang mit ihrem Freund.

Welche Rolle spielt der jüdische Glauben in Ihrem Leben?

Ich würde zögern, zu behaupten, dass ich gläubig bin. Man versetze sich in die geistige Situation von Jugendlichen zwischen 13 und 17 Jahren: Urplötzlich waren wir als Juden von einem grausamen, unverständlichen Schicksal ergriffen worden. Wie sollte man da weiterleben, ohne einen Sinn in dieser Katastrophe zu finden und nicht ohnmächtiges Opfer einer übermächtigen Gewalt zu sein, und wo sollte man diesen Sinn suchen, wenn nicht in der 4000-jährigen jüdischen Geschichte, die so reich an Präzedenzfällen ist und zu der auch die Bibel und der Glaube gehören. Das war das gemeinsame Problem in unserer Jugendgruppe.
Bei diesen Studien unter Anleitung von Studenten musste jeder zu seinen eigenen Schlüssen kommen, die sich natürlich im Laufe der Jahre ändern konnten. Verpflichtend war nur der monotheistische Gottesbegriff des Schöpfers als Inbegriff von Liebe, Wahrheit, Recht und Gerechtigkeit. Das höchste Gut ist das Leben, das eigene und das des Nächsten. Das Judentum stellt für mich eine ethisch-menschliche Verpflichtung dar, den Glauben an diese absoluten Werte nicht zu verlieren, jeden Menschen und seine Ansichten zu respektieren. Alles andere sind nur alltägliche Lebensregeln, die ein harmonisches Zusammenleben der Menschen ermöglichen sollen. Diese müssen natürlich dem Lauf der Zeiten und den verschiedenen Situationen angeglichen werden. Dabei kann man absolut verschiedene Meinungen äußern, kategorisch ist nur diese ethische Grundlage.

Wie hat die letzte Militärdiktatur in Argentinien Ihr Leben verändert?

Am 21. August 1976 ist Nora verschwunden. Nach allem, was mir in meinem Leben widerfahren ist, war die Militärdiktatur durch das Verschwinden unserer Tochter die Periode, die mein Leben am allermeisten verändert hat. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals einer Zeitung ein Interview geben würde. Oder dass ich vor einem größeren Publikum sprechen würde, außer vor meiner Schulklasse mit 20 oder 30 Kindern. Das hätte ich mir überhaupt nicht träumen lassen.
Ich bin sehr bald nach dem Verschwinden meiner Tochter in die Gruppe der Angehörigen der deutschstämmigen Verschwundenen gegangen, in der ich bis heute tätig bin. Wir halten alle zusammen, besonders wir, die wir vom ersten Moment an dabei gewesen sind. Eine ganze Anzahl lebt nicht mehr, das ist ganz klar. Jetzt ist eine meiner Aufgaben, die ich noch sehe, die zwei jüngeren Generationen zur Arbeit heranzuziehen. Denn von uns sind vielleicht noch fünf oder sechs übrig. Jetzt müssen die Geschwister und die Kinder von Verschwundenen die Arbeit weiterführen. Es sind schon einige dabei, auch zwei Überlebende, die entführt wurden, in den geheimen Lagern waren, aber nicht ermordet wurden.

Hat Ihnen das Engagement in der Menschenrechtsbewegung geholfen, mit dem Schmerz über das Verschwinden Ihrer Tochter fertig zu werden?

Helfen ist – glaube ich – nicht der richtige Ausdruck. Aber in jeder Etappe des Lebens sollte man sich die Frage stellen, was kann, darf oder muss ich tun? Welches sind meine Aufgaben jetzt? Seit dem Verschwinden meiner Tochter ist das für mich die Arbeit in unserer Gruppe. Und wenn nach all den Jahren und all den Erlebnisssen, schmerzlichen Erlebnissen, irgend etwas übrig bleibt, was noch einen Sinn hat, ist es für mich die Verpflichtung, nicht zu schweigen und auf Wahrheit und Gerechtigkeit zu bestehen. Ich weiß, dass ich sie damit nicht wieder zum Leben zurückbringen kann. Aber dann sage ich mir, ich kann und ich muss das Leben als solches aufrecht erhalten. Den Begriff des Lebens und der Hilfe für andere, um zu leben und das kann man nur, indem man die Erinnerung an diejenigen, die nicht mehr leben, und die Erlebnisse, die sie hatten, aufrecht erhält.

Das hier veröffentlichte Interview ist eine Montage aus zwei Gesprächen, die Wolfgang Kaleck bzw. Gert Eisenbürger mit Ellen Marx führten.

Wolfgang Kaleck ist Rechtsanwalt und Generalsekretär des European Center für Constitutional and Human Rights (ECCHR). Als Anwalt hat er den Fall der Verschwundenen Nora Marx gegenüber der deutschen Justiz vertreten. Gert Eisenbürger ist verantwortlicher Redakteur der ila.

Kasten:

Ellen Marx kam 1939 mit einer Gruppe jüdischer Jugendlicher nach Argentinien. Ihre Mutter und neun weitere Familienmitglieder wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Unter der letzten Militärdiktatur in Argentinien wurde im August 1976 ihre jüngste Tochter Nora in Buenos Aires entführt und ist bis heute „verschwunden“. Zeugenaussagen sprechen dafür, dass sie die ersten Tage schwerster Folterhaft nicht überlebte. Seitdem kämpfte Ellen Marx für die Aufklärung und Ahndung der Diktaturverbrechen in Argentinien und in Deutschland. Sie leitete bis kurz vor ihrem Tod die Gruppe der deutschen oder deutschstämmigen Mütter von Verschwundenen und Diktaturopfern. Diese Gruppe gab 1998 gemeinsam mit dem argentinischen Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel den Impuls zur Gründung des deutschen Menschenrechtsnetzwerks „Koalition gegen die Straflosigkeit“. Die Koalition und ihre AnwältInnen betrieben seitdem bei deutschen Strafverfolgungsbehörden Strafverfahren im Namen von Diktaturopfern, u.a. Nora Marx, gegen insgesamt 90 argentinische Militärs und Leitungspersonal der Firma Mercedes Benz, in deren argentinischem Werk mindestens 14 unabhängige Gewerkschafter „verschwanden“.

miércoles, 24 de septiembre de 2008

El interés de juzgar a los represores en el exterior.

Por Rodolfo Yanzón

El juez federal Daniel Rafecas dictó procesamiento contra Jorge Rafael Videla por centenares víctimas. Los delitos que se le imputan son treinta homicidios; más de quinientas privaciones ilegales de la libertad, agravadas por mediar violencias o amenazas, muchas de ellas en la modalidad de desaparición forzada de personas; y casi trescientas imposiciones de tormentos. Videla había sido condenado a reclusión perpetua en 1985 en la causa contra los miembros de las juntas militares. En esa causa la fiscalía había escogido para su acusación más de setecientos casos entre las miles de víctimas. Videla fue indultado por el entonces presidente Carlos Menem en 1990. Como consecuencia de la impunidad existente en nuestro país, fue denunciado ante tribunales del exterior como uno de los jerarcas que había llevado a cabo el plan de exterminio. Luego de años de trabajo, en 2004 el Juzgado de Primera Instancia de Nurenberg de la República de Alemania solicitó la extradición de Videla, Emilio Eduardo Massera y Carlos Guillermo Suárez Mason por los crímenes cometidos contra los ciudadanos alemanes Elizabeth Käsemann y Claudio Manfredo Zieschank. Participaron de la investigación la comisión de familiares de origen alemán y la Coalición contra la Impunidad en la Argentina –integrada por organizaciones sociales, de derechos humanos y religiosas de Alemania-. El Gobierno alemán decidió ser parte activa en el proceso de extradición. Se presentó ante el juez Sergio Torres, ante quien había quedado radicado, para sostener el pedido formulado por la justicia alemana. La defensa de Videla se basó fundamentalmente en que había sido juzgado en 1985. En agosto de 2005 el juez Sergio Torres rechazó el pedido de extradición fundándolo en que Videla había sido condenado por el caso Zieschank y, respecto del caso Käsemann, que no existían obstáculos para que fuera juzgado en la Argentina, luego de la nulidad de las leyes de obediencia debida y de punto final y la reapertura de las causas en 2003. La sentencia fue confirmada por la Corte Suprema de Justicia de la Nación. En ese contexto, el Gobierno de la República de Alemania decidió presentarse como querellante en la causa por los crímenes de lesa humanidad cometidos en la órbita del I Cuerpo de Ejército, que lleva adelante el juez federal Daniel Rafecas. El magistrado tuvo como querellante a la Embajada de Alemania, en relación al caso de Elizabeth Käsemann, asesinada por miembros del Ejército en el centro de exterminio denominado el Vesubio. En 2007 el juez Rafecas tomó la importante decisión de someter a juicio a Videla por todos aquellos crímenes por los que no había sido juzgado y que se habían cometido bajo la órbita del I Cuerpo de Ejército.
Tres reflexiones se pueden extraer de esta decisión. En primer lugar, el reconocimiento del trabajo realizado en el exterior reclamando que se juzgase a los responsables de los crímenes de lesa humanidad. A los resultados obtenidos en cada uno de los países, debe agregarse que, como consecuencia de ello, hemos podido avanzar en el juzgamiento aquí en la Argentina. No sólo los juicios en el exterior ejercieron una fuerte presión en nuestro país, sino que ayudaron al progreso en la interpretación y aplicación del Derecho Internacional por parte de los tribunales argentinos. Cuando se sancionó la ley que declaró la nulidad de las leyes de obediencia debida y de punto final, estaba tramitando un pedido de extradición que había enviado el juez español Baltasar Garzón y por el cual habían sido detenidos decenas de represores. En segundo término, el caso Käsemann y la activa intervención del gobierno alemán generó el debate acerca de la necesidad de juzgar a los jerarcas por aquellos crímenes por los que jamás habían sido juzgados. En tercer lugar, otros jueces deberán imputar a Videla y al resto de los juzgados en 1985 por aquellas víctimas cuya investigación les corresponde. Los crímenes de lesa humanidad deben ser perseguidos en forma universal y es la comunidad internacional la interesada en el juzgamiento de los responsables.